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Alumni-Karrierewege: Porträtreihe

Helga Grabbe

Fächer: Sinologie, Germanistik, Erziehungswissenschaften (Magister Artium) | Heute: Director Business Development LATAM, Presidenta at Centro de Capacitacíon Alemán bei Carl Duisberg Centren und Honorarkonsulin der Vereinigten Mexikanischen Staaten in NRW

Welche drei Dinge fallen Ihnen spontan zu Köln ein?

Vielfalt, Offenheit und Entspanntheit

Ich habe auch im Ausland studiert, dort gearbeitet und später meinen Mann in Taiwan kennengelernt. Als wir 2002 entscheiden mussten, wo wir als Ehepaar eine Familie gründen wollten, war klar: in Köln. Und das war für uns die beste Entscheidung. Köln steht für Offenheit, hat eine Willkommenskultur und zeigt Vielfalt. Köln ist eine authentische Stadt. Allgemein ist der Alltag eher entspannt, manchmal vielleicht auch zu entspannt: „Irgendwie werden sich die Dinge schon regeln."

Warum haben Sie an der Philosophischen Fakultät der Uni Köln studiert?

Mein Vater hat bereits in Köln studiert, und ich bin in der Nähe von Köln geboren und aufgewachsen. So kam es, dass ich mich nach meinem Abitur (1986) eher aus einer Laune heraus an der Universität zu Köln eingeschrieben habe. Denn eigentlich wollte ich etwas ganz Anderes machen. Ich wollte Textildesignerin werden. Als ich nach der künstlerischen Aufnahmeprüfung sogar den Studienplatz erhielt, habe ich jedoch gemerkt, dass es doch nicht meine Welt war: Das Studium schien mir zu abstrakt, und es gab zu viel neidische Konkurrenz. Also überlegte ich, was ich außer Kunst noch ganz gut konnte; und das war Sprachen lernen. Nach einer abendlichen Diskussion mit meinen Eltern fiel die im Rückblick richtige Entscheidung: Ich studiere Sinologie. China war damals erst im Kommen und für mich war anfänglich nur ausschlaggebend, mich mit einem „exotischen“ Land und seiner Kultur auseinanderzusetzen. Eingeschrieben habe ich mich damals für Sinologie, Japanologie und politische Wissenschaften. Japanologie studierte ich nur so lange, wie es die Studienordnung vorschrieb. Auch die politischen Wissenschaften gab ich noch während des Grundstudiums auf. Das Fach war mir in den 80er Jahren immer noch "zu maskulin besetzt". Ich wechselte zu Germanistik und Erziehungswissenschaften. Diese endgültige Fächerkombination verhalf mir schließlich zu meinem beruflichen Einstieg bei den Carl Duisberg Centren in Köln.

Was sind Ihre Stärken als Geistes- und Kulturwissenschaftlerin?

  • Geistige Beweglichkeit und die Kompetenz, zu wissen, woher ich notwendige Informationen bekomme (Das habe ich vor allem durch die extensiven eigenständigen Literaturrecherchen in Bibliotheken gelernt.)
  • Offenheit gegenüber einer Vielzahl an unterschiedlichen Themenstellungen: In meinem Sinologiestudium ging es um Sprache, Geschichte, Politik, Literatur, Wirtschaft und Philosophie.
  • Noch heute bin ich manchmal mit Themen konfrontiert, die kaum Vorgaben haben, sehr komplex sind und bei denen erst eine Vision erarbeitet werden muss.

  • Interkulturelle Kompetenzen, insbes. durch das Auslandsstudium
  • Offenheit gegenüber anderen Denkmustern und Perspektiven („um die Ecke denken“)

Haben Sie sich Ihren Berufsweg in diesem Maße vor Ihrem Studium so vorgestellt?

Nein, den Berufsweg habe ich mir natürlich nicht so vorgestellt. Dennoch habe ich im Studium ein gutes Rüstzeug für meinen beruflichen Werdegang erhalten: Ich habe sowohl in einem sehr kleinen, „exklusiven“ Fachbereich als auch in einem Massenfach wie Germanistik studiert. Neben dem Wissen, das uns in den relativ wenigen Pflichtveranstaltungen vermittelt wurde, konnte ich mir vor allem das Wissen erarbeiten, das mich interessierte. Ich denke, ich hatte viele akademische Freiräume und kaum starre Lehrvorgaben. Allerdings existierten so auch keine festen Lernziele, die methodisch-didaktisch begleitet wurden.

Seit Jahrzehnten arbeite ich in der internationalen Bildung. Zu Beginn musste ich mir autodidaktisch erarbeiten, welches Expertenwissen aus dem Studium in die Arbeitswelt überhaupt zu transferieren war. Die oben genannten Stärken, die sich während der Studienzeit entwickelt haben, haben mir jedoch am meisten geholfen, mich in der Berufswelt zurecht zu finden.

Gerne möchte ich aber noch einen zeitlichen Aspekt einbringen, den viele aus der Babyboomer-Generation vielleicht noch in Erinnerung haben: Als wir die Schule beendeten, gab es keine beruflichen Garantien. Es gab keinen Fachkräftemangel, sondern zu wenige Arbeitsstellen. D.h. es brauchte einen gesunden Optimismus und Pragmatismus, um sich eine berufliche Zukunft vorstellen zu können. Meine Erfahrung hat mir allerdings gezeigt, dass da, wo Menschen mit Leidenschaft einen Beruf anstrebten, sie diesen später auch ausübten.

Gab es Situationen oder bestimmte Personen, die Sie inspiriert und Ihnen im Hinblick auf spätere Berufsentscheidungen geholfen haben?

Mitte der 90er Jahre hat mich meine allererste Chefin inspiriert. Sie war eine Führungskraft, die man heute als ideale moderne Führungspersönlichkeit beschreiben würde: kreativ, Expertin, humorvoll, empathische Mentorin, Powerfrau, die anderen Freiräume ließ. Damals ist ihr Führungsstil leider nicht verstanden worden. Von ihr habe ich jedoch viel gelernt.

Wenig später holte mich ein 70-jähriger Diplomat als Generalsekretärin ins argentinische Kultur- und Wirtschaftsbüro in Taiwan. Er zollte Geisteswissenschaftler*innen höchsten Respekt. Diese Erfahrung widersprach dem damals üblichen Klischee, dass man mit dem Studium der Geisteswissenschaften zwar viel (unnötiges) Wissen, aber kein Geld verdienen würde. Viele wollten nicht sehen, dass sich in den Geisteswissenschaften Generalist*innen entwickeln können, die einen Mehrwert für Unternehmen bringen.

Übrigens wurde ich als junge Frau in Asien Ende der 90ziger nie in meiner Rolle als Team- oder Abteilungsleitung in Frage gestellt: Was zählte, waren Wissen und Kompetenz.  In Deutschland durfte ich da leider andere Erfahrungen machen…

Was würden Sie als Studentin anders machen?

Gar nichts. Mein Privileg war, fünf verschiedene Fächer studieren zu können, die mich alle interessierten.

Was macht Ihnen an Ihrem jetzigen Beruf besonders viel Freude? 

In meinem Bereich kann ich nur gewinnen: Wir fördern Karrieren, ermöglichen neue Lebensformate, wenn es darum geht, ausländische Fachkräfte zu schulen und nach Deutschland zu bringen. Es ist eine sehr sinnstiftende Aufgabe mit tollen Kolleg*innen, die den gleichen Ansporn haben und für die gleiche Sache brennen. Außerdem arbeite ich in internationalen Kontexten, also mit und im Ausland, darf neue Geschäftsgelegenheiten analysieren, ständig neue Kontakte knüpfen und bringe Menschen unabhängig von Sprache und Kultur miteinander in Verbindung.

Welche Aufgaben haben Sie in Ihrem aktuellen Job?

Meine Aufgabe ist es, genau dort hinzugehen, wo man der Nachfrage, die uns als Thema gestellt ist (speziell Fachkräfte), gerecht werden kann. In Lateinamerika haben wir dazu einige Partnerschaften entwickeln können: Mein Team und ich suchen dort nach geeigneten Kooperationspartner*innen, Ausbildungsunternehmen, Agenturen und Einzelpersonen. Wir erstellen Ausbildungs- und Weiterbildungsprogramme, beraten die Stakeholder und begleiten den gesamten Prozess. Eigentlich ist unser Job vergleichbar mit dem eines Personalvermittlers, nur setzen wir deutlich den Fokus auf Bildungsarbeit bzw. internationale Karriereentwicklung. Als Präsidentin und Geschäftsführerin der Tochtergesellschaft knüpfe ich auf den oberen Ebenen Kontakte, schließe Verträge ab, bin als Projektleitung verantwortlich für die Umsetzung aller Projekte. Kontinuierlich müssen Entscheidungen getroffen werden, deren Konsequenzen bis ins Privatleben unserer Programmteilnehmenden wirken.

Welche drei Tipps haben Sie für unsere Studierenden der Phil im Hinblick auf Ihr Studium und das spätere Berufsleben?

  • Der Leidenschaft folgen. Wer sie noch nicht spürt, soll sich weiter ausprobieren, in sich hineinhören und sich Rat suchen – allerdings nicht unbedingt bei engsten Freund*innen oder Eltern, die etwas Spezielles in einem sehen (wollen).
  • Vorhaben mit Ernsthaftigkeit und echtem Eifer verfolgen.
  • Nicht unbedingt auf Position und Status hinarbeiten, sondern auf die Sinnhaftigkeit schauen.