Alumni-Karrierewege: Porträtreihe
Angela Spizig
Fach: Anglistik und Romanistik (1. & 2. Staatsexamen Lehramt Gymnasium/Geamtschule) | Heute: Kultur- und Literatur-Moderatorin sowie Mitglied im ZDF-Fernsehrat und Arte Programm-Beirat
Welche drei Dinge fallen Ihnen spontan zu Köln ein?
- Die Weberschiffchen auf dem Rhein – dort habe ich im Mai 1968 (!) bei einer von und für Student*innen organisierten „Riverboat-Shuffle“ meinen Mann kennengelernt. Das nächste Mal trafen wir uns vor dem Uni-Hauptgebäude bei einer Demonstration gegen die „Notstandsgesetze“. Es folgten Verabredungen im E-Raum, politische Diskussionen auf der Uni-Wiese , Disco-Abende im „Ding“ – und wir sind immer noch zusammen!
- Das Rathaus, in dem ich 15 Jahre lang als grünes Ratsmitglied, Kulturpolitikerin und Bürgermeisterin aktiv war. Dort sprach ich nicht nur auf einer Vielzahl von Empfängen und Veranstaltungen zu unterschiedlichsten Menschen und Gruppen. Besonders bewegend waren die jährlichen Begegnungen mit KZ-Überlebenden und ehemaligen Zwangsarbeitern, die von der Stadt eingeladen wurden und hier auch in die Schulen gingen, um ihre Erfahrungen mit Schüler*innen zu teilen. Mein Referent und ich setzten uns auch dafür ein, dass die internationalen Student*innen regelmäßig im Rathaus empfangen wurden. Und natürlich war es großartig, mit besonderen Persönlichkeiten wie Pelé, Daniel Barenboim, oder der Künstlerin Andrea Fraser zusammenzutreffen. Wichtig war mir aber auch, dass ich in der Stadt Impulse geben und Dinge bewegen konnte, gerade in den Bereichen Kultur und Film. So gründete ich ein Netzwerk für Filmschaffende, das heute noch existiert.
- Der Stadtgarten – ein Kultur-und Begegnungsort Ort im besten Sinne. Dort habe ich schon viele großartige Konzerte gehört, spannende Begegnungen mit Künstlern und Musikern gehabt, und mit Freunden meine schönsten und wichtigsten Feste gefeiert.
Warum haben Sie an der Philosophischen Fakultät der Uni Köln studiert?
Gerade von einem Austauschjahr in den USA zurückgekehrt, wollte ich nach dem Abitur gleich wieder möglichst weit weg, doch das konnten sich meine Eltern nicht leisten. So war ich eine widerwillige Fahrstudentin aus Solingen. Im zweiten Semester fand ich dann einen Freund, Messe-Jobs und eine Dachwohnung in Köln und lebte mich blitzschnell ein. Für Anglistik und Romanistik hatte ich mich aus der Liebe zu Sprache(n) entschieden, die schon meinen Großvater und meine Mutter prägte. Ich wurde in der Stadtbibliothek sozialisiert, träumte von fernen Ländern und erlebte dann in meinem Amerika-Jahr, wie großartig es ist, Kulturen von innen kennenzulernen, gerade auch durch Sprache und Literatur. Mit meinen Eltern war ich aus der DDR geflohen - für sie bedeutete der Lehrerberuf Sicherheit und Zukunft. Dies wünschten sie sich für mich – ich sollte auf Lehramt studieren und möglichst schnell fertig werden. Auf die Idee, Professorin zu werden, kam ich gar nicht. Außer einer einzelnen promovierten Frau, die in der Romanistik Proseminare geben „durfte“, existierte während meiner Studienzeit im Englischen und Romanischen Seminar weit und breit kein einziges weibliches Vorbild!
Was sind Ihre Stärken als Geistes- und Kulturwissenschaftlerin?
- Spontan und persönlich: Durch die Literatur haben wir Geistes-und Kulturwissenschaftler*innen einen sehr großen Referenzrahmen und können viele Dinge einordnen und in Form von Bildern und Beispielen definieren. (So habe ich bei meiner politischen Arbeit öfter an Shakespeare denken müssen …)
- Geistes-und Kulturwissenschaftler*innen untersuchen Strukturen und sind darin geübt, die Dinge in größeren Zusammenhängen zu sehen - sie haben über Zeit und Raum hinweg den Zugang zu ganz vielen Welten.
Ich habe oft erlebt, dass Firmen Geistes- und Kulturwissenschaftler*innen einstellten, weil diese eine andere Herangehensweise zeigten und Empathie-Vermögen mitbrachten.
Jemand, der das früh erkannt hatte, war ein amerikanischer Gastdozent namens Paul Drew-Bear, der vom Englischen Seminar der Uni Köln an die WiSo-Fakultät wechselte. Er machte dort mit den Studierenden Theater-Workshops, teilweise im öffentlichen Straßenraum, und führte mit ihnen Shakespeare-Stücke auf. Er war der Meinung, dass es auch für künftige Geschäftsführer*innen von Unternehmen zentral ist, durch geistige Durchdringung, emotionalen Ausdruck, durch Sprache und Bewegung zu lernen, andere Perspektiven einzunehmen. Dies war auch ein wichtiges Ziel der „Tilbury House Debating Society“, die er gründete und die meines Wissens immer noch an der Uni Köln existiert. Dieser Mann war ein Visionär. Er hat den jungen Menschen so vieles mitgegeben, und ich hoffe sehr, dass man ihm an der Universität die gebührende Anerkennung gezollt hat!
Haben Sie sich Ihren Berufsweg in diesem Maße vor Ihrem Studium so vorgestellt?
Ich sah mich als engagierte und glückliche Lehrerin, die ich ja auch war, bis ich im Jahr 2000 Bürgermeisterin der Stadt Köln wurde. Wobei – viele der Kompetenzen, über die ich als Lehrerin verfügte, waren auch im Amt und im Umgang mit den Menschen in Köln hilfreich, wie zuhören können, Interesse zeigen, einen starken Gerechtigkeitssinn haben, Dinge zum Wohl aller umsetzen wollen…..
Seit 1990 bekam ich immer wieder Moderationsangebote für Film-oder Literaturfestivals.
Die Lit.Cologne begleitete ich von Anfang an, und die mehrsprachigen Moderationen, die Zusammenarbeit mit Autor*innen und Schauspieler*innen empfand ich als so spannend und beglückend, dass dies heute mein Hauptberuf ist. Das Einzige, was ich geplant habe, war mein Studium. Danach ergab sich in meinem Leben immer eines aus dem anderen – mein Leitspruch ist „One thing leads to another“.
Gab es Situationen oder bestimmte Personen, die Sie inspiriert und Ihnen im Hinblick auf spätere Berufsentscheidungen geholfen haben?
Ich bin nicht so sehr durch Personen geprägt worden, sondern vielmehr durch die gesellschaftlichen Umbrüche der 68er Jahre. Mich haben die Diskussionen, die Sit-ins, die Besetzung des Rektorats geprägt. Durch diese Prozesse habe ich gelernt, Menschen nur dann als Autoritäten zu akzeptieren, wenn sie mich fachlich, inhaltlich und menschlich überzeugen. Stichwort: Fach- statt Amtsautorität. Das hat mich sehr unabhängig in meinem Denken gemacht.
Was würden Sie heute als Studentin anders machen?
Eigentlich nichts. Ich habe eine gute Mischung erleben dürfen: ein Leben in der WG, zu der auch ein Hippie aus Berkeley gehörte, der die tollsten neuen Schallplatten mitbrachte. Klare Strukturen an der Uni, die aber auch genügend Freiraum ließen. Vielfältige Jobmöglichkeiten…. Ich kann allerdings nicht einschätzen, ob so ein Studium unter den heutigen Bedingungen möglich wäre.
Was macht Ihnen an Ihrem jetzigen Beruf besonders viel Freude?
Als Kultur- und Literatur-Moderatorin werden mir die unterschiedlichsten Bücher angeboten. Ich liebe es, mich in Themen hinein zu graben, die neu für mich sind, wie zum Beispiel die georgische Literatur, als Georgien Gastland der Buchmesse war. Letztes Jahr habe ich in Frankfurt eine ausgesprochen diverse Grupp von kanadische Autor*innen auf englisch und französisch begleitet. Es gibt besondere magische Momente, bei denen es gelingt, zu dritt auf einer Bühne zu sitzen, vor großem Publikum wie bei der Lit.Cologne, und mit den Autor*innen und Schauspieler*innen eine Atmosphäre zu schaffen, bei der alle gebannt sind und sich von den Worten tragen lassen.
Welche Aufgaben haben Sie beim ZDF Fernsehrat und beim Arte Programmbeirat?
Der Fernsehrat spiegelt die Zivilgesellschaft wider und beobachtet und begleitet in Ausschüssen die Arbeit des Senders, mit Blick auf den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Sachen Information, Bildung, Kultur und Demokratie. Beim ZDF-Fernsehrat stehen daher Themen wie gesellschaftspolitische und soziale Entwicklungen im Vordergrund, und die Diskussion darüber, wie sie im Programm bearbeitet und vermittelt werden.
ARTE hat vor 30 Jahren als deutsch-französischer Sender mit einem Partnerschaftsvertrag begonnen. Inzwischen erfüllt er mehr und mehr die Aufgaben einer europäischen Plattform, die man bereits in sechs Sprachen verfolgen kann. Bei Arte begeistern mich der kulturpolitische Anspruch, die Lust an der Innovation, die Qualität von Inhalten und Design, und vor allem die hochmotivierten jungen Menschen in den Redaktionen, die nach vorne denken und dieses besondere Programm schaffen.
Welche drei Tipps haben Sie für unsere Studierenden der Phil im Hinblick auf Ihr Studium und das spätere Berufsleben?
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Neugierig und mutig sein; offen sein - nicht zu schnell urteilen. Die Wechselwirkung aus Intuition und Erfahrung ist ganz wichtig.
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Sich aber gleichzeitig immer seines eigenen Kompasses und seiner Werte bewusst sein.
- Nie vergessen, wie wichtig gute Freunde und Mitstreiter*innen sind!