Alumni-Karrierewege: Porträtreihe
Anni Sagewka
Fach: Regionalstudien Lateinamerika (SoWi) | Heute: Gesundheits- und Krankenpflegerin am Helios Klinikum in Bonn/Rhein-Sieg
Welche drei Dinge fallen Ihnen spontan zu Köln ein?
- Kölsch als Sprache und Getränk
- Die Rheinische Mentalität: für mich vor allem Toleranz, Offenheit und gute Laune
- Karneval
Warum haben Sie an der Philosophischen Fakultät der Uni Köln studiert?
Das ergab sich durch meine Studienwahl. Beim Weltjugendtag 2005 haben wir zwei Brasilianer bei uns für eine Woche aufgenommen. Ich konnte zu dem Zeitpunkt nur Englisch und Französisch aus der Schulzeit, aber wir haben zusammen gefrühstückt, etwas gemeinsam unternommen und uns mit wenig Englisch und „Händen und Füßen“ unterhalten. Mein Interesse für Brasilien war damit geweckt. Später ergab sich noch die Gelegenheit, einen Sprachkurs für brasilianisches Portugiesisch zu besuchen und in dem Moment dachte ich: Es muss ein neuer Impuls für mich her. Ich wollte mich generell in meinem Leben auf etwas Neues einlassen und begann zu recherchieren. Zunächst fand ich in Fulda einen Studiengang zur Gesundheitsprävention, musste bei weiterer Recherche aber feststellen, dass diese Idee doch nicht so vielversprechend war. Ich hätte mehrmals dort hinfahren müssen, was zeitlich und finanziell schwierig gewesen wäre, da ich Alleinverdienerin für meine Familie war. Dann bin ich auf Regionalstudien Lateinamerika an der Uni Köln gestoßen, was meinen Interessen entsprach und ich gut mit meinem Job vereinbaren konnte. Denn klar war, dass ich weiterhin zu 50 % im Krankenhaus arbeiten würde: alle Wochenenden und drei Schichten zusätzlich pro Monat. Das hat aber dank der Unterstützung meiner Vorgesetzten und der Flexibilität der Kolleginnen sehr gut funktioniert.
Was sind Ihre Stärken als Geistes- und Kulturwissenschaftlerin?
- Neugier und Interesse an vielfältigen Themen. Es ist unglaublich, was man alles im Studium machen kann.
- Flexibel sein zu können
- Der Umgang mit komplexen Sachverhalten
- Kultur ist, wie Menschen mit der Erde umgehen – dieses erweiterte Verständnis fand und finde ich immer noch total wichtig für alles
Haben Sie sich Ihren Berufsweg in diesem Maße vor Ihrem Studium so vorgestellt?
Ich habe ja erst mit 44 Jahren mein Studium begonnen. Das war so nicht von Anfang an geplant und ich habe ja auch weiter in meinem ursprünglichen Beruf gearbeitet, aber es hat mir riesigen Spaß gemacht. Ich habe so viel gelernt und meine Kompetenzen durch das Studium erweitern können. Außerdem habe ich das Studium Integrale für mich komplett genutzt und viele Veranstaltungen besucht - teilweise auch in Bereichen, die mir bei meiner Arbeit im Krankenhaus helfen konnten, Betroffene besser zu verstehen. Ich habe mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen erlangt, eine gewisse Distanz zu den Themen entwickelt und dadurch Mut bekommen, meinen Mund aufzumachen, mich für Dinge einzusetzen. Ich habe neben dem Studium zum Beispiel auch im Eine Welt Laden und bei Connosco gearbeitet, um auch in diese Bereiche näher hineinzuschauen. Ehrenamtlich bin ich heute immer noch ab und zu für eine Eine-Welt-Gruppe tätig, die eine brasilianische Straßenkinder Initiative unterstützt.
Ich hatte während des Studiums tatsächlich auch Interesse am Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, aber es hat sich für mich nicht ergeben. Einerseits musste ich meine Familie ernähren und konnte es mir nicht leisten, für ganz geringes Gehalt nach dem Studium irgendwo anzufangen, hatte in diesem Bereich natürlich kaum Berufserfahrung und konnte wegen der Kinder nicht mal eben ein halbes Jahr ins Ausland, sodass mir auch Auslandserfahrung gefehlt hat. Andererseits spielt mein Alter natürlich auch eine Rolle. Nichtdestotrotz bin ich sehr froh, dass ich das Studium gemacht habe, weil es mir neue Erfahrungen ermöglicht und mich weiterentwickelt hat.
Gab es Situationen oder bestimmte Personen, die Sie inspiriert und Ihnen im Hinblick auf spätere Berufsentscheidungen geholfen haben?
Es gab viele Dozierende, die sich Zeit für mich genommen haben, was sehr hilfreich für mich war. Ich erinnere mich an ein Seminar an der WiSo, in dem ich ein Referat halten sollte und fragte, ob es denn noch einen Overheadprojektor gäbe, da ich mit Powerpoint noch nicht gearbeitet hatte. Mir ist ganz viel Verständnis entgegengebracht worden, ich habe Erklärvideos geschickt bekommen, was sehr hilfreich war und dann hat alles geklappt. Ich erinnere mich auch daran, dass ich mit dem Hausarbeitenschreiben nicht ganz so zufrieden war, weshalb ich im Studium Integrale ein Kompetenztraining vom ProfessionalCenter zum Wissenschaftlichen Schreiben belegt habe, was mir sehr geholfen hat und womit ich am Ende sogar eine 1,3 in der Abschlussarbeit geschafft habe. Ich wollte einfach besser werden und die Dozentin hat es geschafft, mir das Wissen und die Methoden als Gerüst zu vermitteln, an dem ich mich orientieren konnte. Aber auch sonst wurde mir an jeder Stelle Mut gemacht: Bevor ich gestartet bin, war ich unsicher, ob das Portugiesisch aus einem Kurs ausreicht und ich war mir unsicher, ob ich mit Sozialwissenschaften zurechtkomme und was sich dahinter alles verbirgt. Alleine Soziologie ist schon so ein breites Feld von der Soziologie einer Schulnote bis zur Soziologie des Wohnens. Ich habe mich von Anfang an immer sehr unterstützt gefühlt.
Was würden Sie heute als Studentin anders machen?
Da gibt es gar nichts, weil ich für mich alles mitgenommen habe. Ich habe mich gefühlt, mit dem Wissen der ganzen Welt verknüpft zu sein und ein ganz kleiner Teil davon zu sein. Ich habe die Zeit im Studium ganz bewusst genossen, ganz viel im Studium Integrale gemacht – zum Beispiel auch zur Frage „Was ist Glück“, bin jede Woche an den Stellwänden vorbeigelaufen, um zu schauen, was es Neues gibt und habe wirklich sehr viel Freude im Studium gehabt.
Was macht Ihnen an Ihrem jetzigen Beruf besonders viel Freude?
An der Pflege macht mir besonders viel Freude, dass ich andere Menschen unterstützen und ihnen helfen kann.
Welche Aufgaben haben Sie dort?
Ich betreue und versorge eigenverantwortlich Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen. Das umfasst die Förderung der Gesundheit, die Verhütung von Krankheiten und schließt die Versorgung und Betreuung kranker, behinderter und sterbender Menschen ein. Pflegende fördern eine sichere Umgebung und nehmen die Interessen und Bedürfnisse der zu Betreuenden wahr (in Anlehnung an die Definition des International Council of Nurses, übersetzt durch den Berufsverband DBfK). Ich arbeite als Gesundheits- und Krankenpflegerin im Springerpool eines Krankenhauses mittlerer Größe und bin damit in vielen unterschiedlichen Abteilungen tätig. Das macht es vielseitig, aber es ist auch anstrengend, sich immer wieder neu einzufinden. Derzeit überlege ich, mich noch einmal zu verändern und in einer Senioren-WG bzw. Tagesstätte zu arbeiten, wo vor allem Menschen leben, die kognitiv eingeschränkt sind. Dies entlastet insbesondere die Angehörigen. Dort hätte ich wieder mehr Zeit für die einzelnen Menschen, was mir im Klinikum fehlt.
Welche drei Tipps haben Sie für unsere Studierenden der Phil im Hinblick auf Ihr Studium und das spätere Berufsleben?
- Sich nicht unter Druck setzen lassen: weder durch die Zeit, die man brauchen soll, noch durch die Bestnoten, die man angeblich für die besten Plätze im Job braucht.
- Studieren, was zu einem passt und einem wirklich Freude bereitet.
- In die Bereiche, in denen man arbeiten möchte, reingucken, Praktika machen, sich ausprobieren.