Alumni-Karrierewege: Porträtreihe
Harald Berenfänger
Fach: Philosophie | Heute: Selbstständiger Coach und Trainer
Welche drei Dinge fallen Ihnen spontan zu Köln ein?
- Das Kölsche Grundgesetz – die beiden Paragraphen Et es wie et es und Et bliev nix wie et wor verraten mehr Lebensweisheit als so mancher Selbstcoaching-Ratgeber. Akzeptanz und Veränderungswille als zentrale Grundlagen für ein zufriedenes Leben in Entwicklung.
- Die Parade zum Christopher Street Day – bunt, lebendig, stolz, entspannt, divers, sexy, offen, verbindend, fröhlich, ernst und liebevoll. Lebenskunst als Demostraßenfest.
- Heimat – ich habe hier 30 Jahre gelebt. Braunsfeld, Müngersdorf, Südstadt, Ehrenfeld. Fußballspielen im Stadtwald, Schule, Jugendarbeit in der Pfarre, erste Liebe.
Warum haben Sie an der Philosophischen Fakultät der Uni Köln studiert?
Das Fach: Weil ich schon früh einen Drang zum Nachdenken und Abtauchen in die Tiefe und die Höhe hatte und in der Schule (Apostelgymnasium) einen Philosophielehrer bekam, der diese Faszination auf ganz eigene Weise befeuerte.
Der Ort: Das war eine ganz pragmatische Entscheidung. Ich war zu der Zeit intensiv im Veedel engagiert: Habe eine Stadtteilzeitung gemacht, ein Buch über Braunsfeld geschrieben, war in der Jugendarbeit tätig, habe hier Theater gespielt. Hinzu kam, dass ein Freund von mir zu der Zeit schon Philosophie an der Kölner Uni studierte und sehr zufrieden war.
Was sind Ihre Stärken als Geistes- und Kulturwissenschaftler?
Ich habe zwei große Talente. Zum einen erkenne ich in kurzer Zeit, worum es einem Menschen, der zu mir kommt, im Kern geht. Ich sehe und spüre die Ursachen, Motivationen, Blockaden, Zusammenhänge und Dynamiken hinter den Symptomen und Problemen. Zum anderen bin ich in der Lage, Sprache so zu nutzen, dass sich Menschen mit mir auf Wege einlassen können, die sie sonst nicht erkennen und oder wagen würden. Mit meiner Sprache ermögliche ich einen Raum der Erkenntnis; einen Raum, in dem echte Entwicklung möglich ist. Die Basis für beides: Eine innere Haltung des echten Interesses am Gegenüber mit der Bereitschaft, in einen Kontakt zu gehen, in dem und durch den der Andere sich selbst begegnen kann.
Haben Sie sich Ihren Berufsweg in diesem Maße vor Ihrem Studium so vorgestellt?
Nein. Dieser Berufsweg war eine Mischung aus Zufällen – ich habe alles genutzt und verwoben, was mir im Leben so zugefallen ist: Ich habe immer gern geschrieben und auf der Bühne gestanden. Ich habe seit 1997 tausende Stunden damit verbracht, mich weiterzubilden und mich selbst zu erkennen. Ich habe das Berufsleben in vielen Strukturen erfahren (Behörde, Verband, Startup, Großkonzern). Ich hatte Erfolge und tiefe existenzielle Krisen. Ich bin Sohn und Vater. Ich bin gut in meiner Arbeit und auch gut als Alleinerziehender und zweijähriger Elternzeitnehmer. Ich habe Trennungen erlebt und mich immer wieder neu für die Liebe entschieden. Ich interessiere mich für Tiefgründiges und Komisches, für Kunst und Kultur, für Politik und für Spirituelles.
Alles, was mir zugefallen ist und immer noch immer zufällt, integriere ich in mich und mein Leben und damit in meinen Beruf, denn eigentlich übe ich gar keinen Beruf aus: ich bin, wer ich bin und begegne in diesem So-Sein den Menschen, die sich für die Begegnung mit mir entscheiden.
Gab es Situationen oder bestimmte Personen, die Sie inspiriert und Ihnen im Hinblick auf spätere Berufsentscheidungen geholfen haben?
Ich erinnere mich vor allem an ein Gespräch im Frühjahr 2010. Gänzlich unerwartet tat sich die Möglichkeit auf, das Angestellten-Dasein zu verlassen und mich mit meinem Traumberuf selbständig zu machen. Der Preis für diese Chance: Berufliche Unsicherheit, weil kompletter Neuanfang ohne Kundenstamm. Außerdem war ich schon Mitte Vierzig und näherte mich damit dem Alter, in dem man in unserer Gesellschaft beruflich gern aussortiert wird. Kurzum: Ich wusste nicht, ob ich das schaffen würde und schlief schlecht.
Ich fuhr also ein paar Tage auf ein Männerseminar und versuchte, zu einer Entscheidung in Entschiedenheit zu gelangen. Auf einem Spaziergang schilderte ich, was mich gerade umtrieb, und da sagte dieser andere Mann plötzlich zu mir: "Es ist doch ganz einfach ein guter Mann zu sein. Liebe Deine Kinder, tu Deiner Frau nicht weh. Und triff Deine eigenen Entscheidungen." In dem Moment hatte ich verstanden. Es ging nicht länger darum zu überlegen, was die anderen sagen – es ging darum, dass ich für mich entscheide. Bis heute eine wesentliche Inspiration.
Was würden Sie heute als Student anders machen?
Wenn ich noch mal ein junger Philosophiestudent wäre, würde ich mir wünschen, dass mir jemand sehr bald zeigte, dass es in diesem wunderbaren Fach um die Liebe zur Weisheit geht, um philosophia – und nicht um die Liebe zu Begriffen, Konzepten, Schulen, Richtungen oder zu sich selbst.
Das Philosophie-Studium stellt gute Möglichkeiten bereit, sein Ego zu pflegen und sich in den eigenen Spitzfindigkeiten klug zu fühlen – und darüber zu vergessen, dass das sokratische Ich weiß, dass ich nichts weiß kein Anlass für intellektuelles Kokettieren ist, sondern Aufforderung zu Demut, Toleranz und Mitgefühl.
Ich würde also versuchen, ein Und zu denken und zu kultivieren. Ein Und anstelle eines Entweder-Oder. Verbindung statt Spaltung. Tetralemma statt Dilemma. Ich und Du und Wir.
Was macht Ihnen an Ihrem jetzigen Beruf besonders viel Freude?
Ich kann in meinem Beruf alles verbinden, tun, denken, fühlen, was mir wichtig ist. Ich arbeite mit Menschen, die gerne mit mir arbeiten. Ich kann mich ständig weiterentwickeln. Ich bekomme Anerkennung und erfahre Selbstwirksamkeit. Ich mache die Erfahrung, in etwas richtig gut zu sein. Ich kann stolz sein, weil ich mir das alles selbst erschaffen habe, und ich erlebe Dankbarkeit und Verbindung in dem Bewusstsein, dass es bei alldem etwas gibt, das größer ist als ich, das mich hält und schützt, durch das ich Vertrauen habe kann.
Welche Aufgaben haben Sie dort?
Ich liebe Vielfalt, Abenteuer und Abwechslung, und so gestalte ich mir auch meinen Beruf.
Ich unterstütze Menschen in beruflichen Themen, in ihren persönlichen Beziehungen, im Klarkommen mit sich selbst. Das geschieht in Einzelgesprächen, in Gruppen-Kontexten, in Vorträgen. Ich habe den Philosophischen Dialog ins Leben berufen und schreibe: Bücher, Fachartikel, Blog-Beiträge. Ich denke öffentlich nach über Fragen von Männlichkeit und Beziehungsformen und initiiere dazu passende Gesprächsangebote. Ich bilde mich regelmäßig weiter, suche mir Lehrer und schaue weit über die Tellerränder des üblichen Business.
Welche drei Tipps haben Sie für unsere Studierenden der Phil im Hinblick auf Ihr Studium und das spätere Berufsleben?
- Hört nicht auf das, was ein 53-Jähriger meint, wie Ihr studieren solltet.
- Lebt so, dass wegen Euch so wenig Menschen wie möglich leiden müssen.
- Wähle und zahle den Preis.